Hochaktuell ist das Thema "Luftangriff auf die Menschen in ihrer Ruhezone", die Flughafenerweiterung. Trotz der in Aussicht gestellten Aufgabe des Baus einer 2. Startbahn heißt es wachsam bleiben.
Helga Lauffer, Roberta Penz und Thomas Grabert nehmen sich dieses Themas an. Ein gebrochener Keramkikengel, tote Tiere und eine zerrissene Figur beklagen das verloren gegangene Paradies, aber auch die Arroganz der Macht - beinahe kopflos, nur gesteuert von den eigenen Trieben, d.h. den jeweiligen Interessen.
Es müssen neue Wege gesucht werden - so könnte man Roberta Penz´ gleichnamige Bilderserie deuten.
Beate Susanne Wehr und Uta Schwinn nähern sich dem Thema im wahrsten Sinne spielerisch. Einem Aufruf sind Bürger Ostfilderns gefolgt und haben Spielzeugflugzeuge zur Verfügung gestellt.
Im Gegensatz zum mobiléartigen Geschwader lassen sich die Intervalle des Fluglärms in realiter nicht per Zeitschaltuhr abschalten.
Hand in Hand mit der Flughafenerweiterung geht die Bewusstmachung des Themas Verkehrspenetranz, gefördert vom Mobilitätswahn, die Zersiedelungsoffensive und die Angst um das grüne Restfildern, aus dem jetzt sogar die Sitz- und Flitzhasen Platz verbannt werden. Thematisiert von Birgit Rehfeldt. Dieser Gruppe gehört gedanklich auch Uli Gsell an. Er bereitet aus zwei Schwarzjurabrocken, die bei Bauarbeiten auf den Fildern auftauchten und auch gestalterische Assoziationen wie z. B. die Landschaftstreppe zu Ostfildern nahe legen, die Start oder auch Landebahn für Joachim Stalleckers Fliegen, der Klon ,das Original und sein Doppelgänger, dem Prototyp der Stubenfliege oder Drosophila. "Nur Fliegen sind schöner" - wenn es doch so einfach wäre: Sich wie die Stubenfliege geräuschlos in der Luft bewegen, sich überall niederlassen ohne Abgase, ohne Kosten, ohne Profit, ohne Lobby, sich ein Restbiotop suchen und von ihrem Rückzugsort aus das Geschehen belauern.
Doch Achtung: Klaus Illis Fliegerklatschen begegnen der Plage mit einer präzisen und gleichzeitig grotesken Choreografie des Abklatschens in immer wieder neuen Klatsch-Rhythmen.
Auf einem Filderkrautkopf, der im Untergrund wächst, kann sich keine Fliege niederlassen. Das Von Ruppert und Illi beschriebene Teufelsszenario des utopisch anmutenden Anbaus von Filderkraut lässt manchen Besucher zunächst schmunzeln. Auch hier wird bissiger Humor und Ironie verpackt in bestechender Ästhetik als Strategie im Umgang mit akuter Bedrohung gewählt.
So entstehen Werke, die uns alle angehen und berühren sollen, nicht nur die Künstler. Der Betrachter nimmt Anteil an dem, was den Künstler bewegt und kann sich sein eigenes Bild machen: Mit seinen eigenen Augen, seiner Kreativität, seiner Urteilskraft. Mit diesem Vorhaben ist ein Kunstwerk geglückt, alle unter ein Dach zu bringen, unter das Dach der Städtischen Galerie. Zumindest für sieben Wochen finden hier alle zusammen: Jung und alt, konträre Interessen, Politik und Medien, Landschaft und Technik, Ästhetik und Wirklichkeit, Utopie und Realität.
Als schönes Bsp. Für dieses Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Positionen möchte ich Ihnen die letzte der Gruppen bzw. Paare vorstellen: Katrin Ochs und Rudolf Harr. Zwischen diesen beiden liegen locker zwei Generationen. Die beiden haben sich im Vorfeld der Ausstellung verabredet, Veranstaltungen besucht, sich über Kunst und vieles andere ausgetauscht und ihre Arbeit schlicht Begegnung genannt.
Mit diesem Ofi ziellen Statement haben die Künstlerinnen und Künstler eine doppelte Leistung vollbracht: sie haben sich zu ihrer Stadt bekannt, teils positiv, teils kritisch mit ihr auseinander gesetzt und sie haben den Mut gehabt, sich auf Kolleginnen und Kollegen und auf dieses Ausstellungsvorhaben einzulassen. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.
Ich möchte Sie nun noch hinweisen auf diese Mappe. Die Künstlerinnen und Künstler werden gemeinsam und in Kooperation mit der Bürgerstiftung Ostfildern eine Mappe herausgeben. Das heißt 11 Ostfilderner Künstler steuern jeweils eine Arbeit bei. Die Auflage wird 50 Mappen umfassen und zum Preis von 1100,-€ hier in der Galerie ab Mitte November zu erwerben sein. Hinten an der Wand sehen sie eine Auswahl, die Lust auf mehr machen soll. An einem Tag im November wird die gesamte Mappe dann hier in der Galerie präsentiert werden. Informationen entnehmen Sie bitte der Stadtrundschau oder unserer homepage. Gerne können Sie auch Ihre Kontaktdaten hinterlassen. Wir informieren Sie dann rechtzeitig über den genauen Termin der Erscheinung. Für die Unterstützung bei der Herstellung der Mappe bedanken wir uns schon jetzt ganz herzlich bei der Firma Boesner, Künstlerbedarf in Leinfelden.
Holle Nann, 2008