Wolf Nkole Helzle, "homo schaparuikenellsis"
Ausstellung vom 6. Mai bis 26. Juni 2012
Zum 10-jährigen Jubiläum des Ostfilderner Stadthauses präsentierte die Städtische Galerie eine Fotoausstellung der besonderen Art.
Gesucht wurden 1000, gefunden wurden 1102 Bürgerinnen und Bürger, die das Gesicht der Stadt prägen und unter dem Motto "…ich bin ein Teil des Ganzen" ihre Zugehörigkeit zur Gesamtstadt demonstrierten.
Am 6. Mai feierte das Stadthaus seinen 10. Geburtstag. Alle Einrichtungen des Hauses - konzipiert als Ort der Begegnung und Kommunikation - präsentierten ihre Angebote und füllten das Gebäude mit Leben.
Ende März fand das große, finale Fotoshooting in einem Zelt auf dem Platz vor dem Stadthaus statt.
Insgesamt 1102 Porträts von Alten und Jungen, Frauen und Männern, Schülern und Konfirmanden, von Passanten, Behinderten, Street-workern, Interessens- und Sportgruppen, Firmenzugehörigen, Gemeinderäten und Kirchengemeinderäten, von Bürgerinnen und Bürgern der unterschiedlichsten Herkunft und Nationalität wurden erstellt und bilden eine breite Vielfalt ab.
Alle 1102 Porträtierten sind als Morphingprojektion in der Ausstellung zu sehen.
100 wurden per Los ausgewählt. Aus diesen, ebenfalls in der Ausstellung präsentierten Einzelportraits entstand das gemeinsame, durch schichtweise Überlagerung medial erzeugte Portrait des "Homo schaparuikenellsis".
Der Name bezeichnet die sechs Stadtteile Ostfilderns: Scharnhausen, Scharnhauser Park, Parksiedlung, Kemnat, Ruit und Nellingen.
Die glücklichen 100, deren Aufnahme als Einzelporträt in der Galerie zu sehen sein wird, dürfen zum Ende der Ausstellung ihr Porträt im Format 30 x 30 cm mit nach Hause nehmen. Alle Teilnehmer erhalten ab dem Tag der Eröffnung und zu den üblichen Öffnungszeiten einen Porträtabzug im Format 13 x 13 cm.
Das Gesamtprojekt wird unterstützt durch den Lokalen Aktionsplan (LAP) und die Stadtwerke Esslingen.
"Ich lerne sehen. Ja, ich fange an. Es geht noch schlecht. Aber ich will meine Zeit ausnutzen. Dass es mir zum Beispiel niemals zum Bewusstsein gekommen ist, wie viel Gesichter es gibt.
Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere. Da sind Leute, die tragen ein Gesicht jahrelang, natürlich nutzt es sich ab, es wird schmutzig, es bricht in den Falten, es weitet sich aus wie Handschuhe, die man auf der Reise getragen hat. Das sind sparsame, einfache Leute; sie wechseln es nicht, sie lassen es nicht einmal reinigen. Es sei gut genug, behaupten sie, und wer kann ihnen das Gegenteil nachweisen?
Nun fragt es sich freilich, da sie mehrere Gesichter haben, was tun sie mit den andern? Sie heben sie auf. Ihre Kinder sollen sie tragen. Aber es kommt auch vor, dass ihre Hunde damit ausgehen. Weshalb auch nicht? Gesicht ist Gesicht.
Andere Leute setzen unheimlich schnell ihre Gesichter auf, eins nach dem andern, und tragen sie ab. Es scheint ihnen zuerst, sie hätten sie für immer, aber sie sind kaum vierzig; da ist schon das letzte. Das hat natürlich seine Tragik. Sie sind nicht gewohnt, Gesichter zu schonen, ihr letztes ist in acht Tagen durch, hat Löcher, ist an vielen Stellen dünn wie Papier, und da kommt dann nach und nach die Unterlage heraus, das Nichtgesicht, und sie gehen damit herum."
Rainer Maria Rilke, aus "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge".