Ermordung des Kosovo-Albaners Sadri Berisha in Ostfildern-Kemnat aus ausländerfeindlichen Motiven im Jahr 1992.

Im Jahr 1992 wurde der Kosovo-Albaner Sadri Berisha in einem Arbeiterwohnheim in Kemnat Opfer eines brutalen Angriffs. Diese Tat hat tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis der Stadt Ostfildern hinterlassen. 

In der Nacht zum 8. Juli 1992 drangen vier junge Männer in ein Arbeiterwohnheim im Kemnater Industriegebiet ein. Zwei der Täter brachen gewaltsam in ein Zimmer ein und griffen zwei schlafende Gastarbeiter an. Der 55-jährige Sadri Berisha erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen, sein Zimmergenosse Sahit E. überlebte schwer verletzt. 

Sadri Berisha lebte und arbeitete seit 21 Jahren in Deutschland. Er war als ruhiger und fleißiger Mensch bekannt und arbeitete bei einer Tiefbaufirma in Ostfildern. Ein großer Teil seines Verdienstes ging an seine Familie, die in seiner Heimat lebte. Sadri Berisha wurde von seinen Kollegen und Bekannten als freundlicher und geselliger Mensch beschrieben, der abends gelegentlich in der lokalen Gaststätte anzutreffen war. Sein plötzlicher und tragischer Tod hinterließ eine tiefe Lücke bei seiner Familie und in der Gemeinschaft.

Ermittlungen und Festnahmen

Nach der Tat bildete die Polizeidirektion Esslingen eine 35-köpfige Sonderkommission. Erste Ermittlungen schlossen eine Beteiligung der lokalen rechtsradikalen Szene schnell aus, da deren Mitglieder Alibis hatten. Kurz nach dem Vorfall wurden jedoch sieben Tatverdächtige festgenommen, darunter ein Brüderpaar aus der Region, das der Polizei bereits bekannt war. Obwohl der Überfall nicht gezielt politisch motiviert war, waren bei den Haupttätern Verbindungen zu rechtsradikalem Gedankengut vorhanden.

Reaktionen der Stadt und Gedenkveranstaltungen

Die Bevölkerung und Stadtverwaltung zeigten sich tief erschüttert über den Mord. In einer gemeinsamen Erklärung verurteilten die Stadt, der Gemeinderat und ausländische Gruppen die Tat. Bürgermeister Rösch betonte, dass es keine Skinhead-Szene in Ostfildern gebe und die Tat vor allem auf die schwierigen Lebensumstände der Täter zurückzuführen sei.

Der "Arbeitskreis Asyl" und die "Initiative gegen Ausländerfeindlichkeit" organisierten eine Traueranzeige, die über 1.000 Menschen unterschrieben. Zudem wurden Spenden in Höhe von 20.000 Mark gesammelt, um die Familien der Opfer zu unterstützen.

In den Wochen nach dem Mord fanden mehrere Demonstrationen statt. Die erste, organisiert von der IG Medien und dem "Antifaschistischen Forum Stuttgart", versammelte etwa 300 Menschen. Eine Woche später folgte ein Schweigemarsch, an dem zahlreiche Ostfilderner Bürger und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens teilnahmen. Die dritte Demonstration, zu der das "Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart" aufrief, stieß jedoch auf weniger Verständnis, da es zu Sachbeschädigungen durch Sprühaktionen kam.

Abschluss der Ermittlungen und Gerichtsverfahren

Im Dezember 1992 schloss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen ab. Gegen zwei der sieben Tatbeteiligten wurde Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes erhoben. Die Verhandlung zeigte, dass die Hauptangeklagten, das Brüderpaar Thomas und Roland W., eine schwierige Kindheit hatten und in Erziehungsheimen aufgewachsen waren. Obwohl Thomas W. mehrmals wegen Körperverletzung verurteilt worden war, behauptete er, nicht politisch motiviert zu sein, obwohl in ihrer Wohnung fremdenfeindliche Parolen zu finden waren.

Am Ende des Prozesses wurde Thomas W. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Der zweite Hauptangeklagte erhielt neun Jahre Jugendstrafe. Die übrigen fünf Mitangeklagten wurden wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Beihilfe zu Haftstrafen zwischen sechs Monaten auf Bewährung und sieben Jahren verurteilt.

 

Weiterführende Informationen

Eintrag in das Internet-Lexikon wikipedia

Website des Ostfilderner Künstlers Klaus Illi 

Bericht des Zeitzeugen Murat Kryeziu auf Youtube