Nellingen
Hindenburgstraße
Die Hindenburgstraße in Nellingen erstreckt sich von der Esslinger Straße im Osten bis zur Rinnenbachstraße im Westen. Sie gilt als Ostfilderns Hauptgeschäftsstraße, die Flaniermeile mit attraktiven Einkaufsmöglichkeiten und vielfältigen Dienstleistungsangeboten. Die Hindenburgstraße ist nicht nur eine bekannte Einzelhandelsadresse für die Bewohner aller Stadtteile Ostfilderns, sondern auch für viele Bürger aus Berkheim, Zollberg und Denkendorf. Die Hindenburgstraße wurde 2021 mit einem breit angelegten Beteiligungsprozess der Bürgerschaft unter der Regie der städtischen Sanierungs- und Entwicklungsgesellschaft im Zuge der Stadtteilerneuerung saniert.
Straße im Wandel
An der Geschichte der Hindenburgstraße lässt sich die Entwicklung Nellingens vom Filderdorf zum aufstrebenden, modernen Stadtteil nachvollziehen. Wo heute die Hindenburgstraße verläuft, fand man im vergangenen Jahrhundert nicht einmal einen Feldweg, sondern Wiesen und Äcker der Nellinger Bauern. Der alte Ortskern um die Wilhelmstraße war einige hundert Meter entfernt. Die Idee, eine Straße auf die grüne Wiese zu bauen, wurde bereits 1875 in einem weitblickenden Ortsbauplan mit rechtwinkligem Straßenraster dokumentiert. Als "Karlstraße" sollte die Straße parallel zur Kaiserstraße das Dorf nach Norden hin erweitern. In den 1920er-Jahren wurde der Plan verwirklicht. 1933 wurde die Karlstraße in Hindenburgstraße umbenannt. 1938 war sie als neuer Autobahnzubringer ausgebaut. "Eine schöne und breite Durchgangsstraße", schwärmte man damals.
Aus dem Schwärmen wurde bald ein Stöhnen, denn der wirtschaftliche Aufschwung seit den 1960er-Jahren brachte eine Verkehrsbelastung mit sich. Mit der Einstellung des Straßenbahnbetriebs im Jahr 1978 war Platz geschaffen zur Umgestaltung der Hindenburgstraße, wie wir sie heute kennen. 1983 feierten die Bürger die baumbestandene Hauptgeschäftsstraße. Eine sehr stark befahrene Durchgangsstraße ist sie immer noch. Die Eröffnung der Ostumgehung 1995 brachte lediglich eine kurzfristige Verkehrsberuhigung.
An der Halle
In der Verlängerung der Hindenburgstraße erstreckt sich das Zentrum an der Halle. Bei der Eröffnung 1989 war es mit 35 Millionen Mark Baukosten das bis dahin größte Bauprojekt der noch jungen Stadt. Architekt war der Stuttgarter Sven Kohlhoff. Architektonischer Mittelpunkt und Namensgeber ist die 68 Meter lange und rund 14 Meter breite, offene Halle. Mit ihrem Zollingerdach erinnert sie an die einstigen Wagenhallen der Straßenbahn END.
Hier gehen kulturelle, soziale und gewerbliche Interessen Hand in Hand: Man kauft ein, schlendert über den Wochenmarkt oder sitzt im Café. Volkshochschule, Musikschule und Vereine haben hier genauso ihre Heimat wie der Treffpunkt und betreute Altenwohnungen. Der Gemeinderat verfügt über Sitzungssaal und Fraktionszimmer. Die Bürger sind stolz auf einen professionell ausgestatteten Theatersaal.
Straßenbahn auf den Fildern
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es Pläne, die Filder über Schienen an Stuttgart oder Esslingen anzuschließen. Bei der Anbindung der östlichen Filder an die Stadt Esslingen bestand dringender Handlungsbedarf, denn die vielen Arbeiter aus den Filderdörfern mussten jeden Tag zu Fuß zu ihren Fabriken im Neckartal gehen. 1926 wurde die elektrische Straßenbahn Esslingen-Nellingen-Denkendorf (END) in Betrieb genommen. 1929 erweiterte man die Straßenbahntrasse von Nellingen über Scharnhausen nach Neuhausen. Bereits 1927 zählte man weit über eine Million Fahrgäste. Die Straßenbahn fuhr auch noch in der Nachkriegszeit auf Erfolgskurs. 1959 sorgten zirka 20 Trieb- und Beiwagen für eine reibungslose Personenbeförderung.
Der ansteigende Indiviualverkehr machte der Straßenbahn zunehmend den Rang streitig. Zudem musste die alte END dringend saniert werden. Die Gesellschafter freundeten sich immer mehr damit an, den Betrieb der Straßenbahn zugunsten des flexibleren Busverkehrs zu beenden.1978 kam gegen den Willen der Stadt Ostfildern das endgültige Aus für die Straßenbahn.
Evangelische Kirche
Die ursprünglich spätromanische Kirche wurde 1749 durch einen Sturm stark beschädigt. 1777 erfolgte der Abriss des Kirchenschiffs und die barocke Neuerbauung in der heutigen Gestalt.
Der Gemeindesaal zwischen Propsteigebäude und Kirchturm wurde 1926 angebaut. Damals erfolgte auch eine Neugestaltung des Kirchenraums. Verantwortlich für die eigenwillige Farbgebung und das von der neuen Sachlichkeit inspirierte Gestühl war der Architekt Professor Martin Elsässer. 1995 wurde die Kirche grundlegend renoviert.
Romanischer Kirchturm
Um 1220 ließ das Kloster Sankt Blasien in Nellingen eine Kirche im spätromanischen Stil erbauen. Deshalb ist die Kirche St. Blasius geweiht. Der erhaltene Kirchturm weist rheinische sowie elsässische Einflüsse auf. Er ist das älteste original erhaltene Bauwerk in Ostfildern.
Der Turm ruht auf einem fast quadratischen Sockel. Ein Fries aus versetzt hervorstehenden Bausteinen markiert den oberen Abschluss des vierseitigen Turmabschnitts. Ein kleiner Dachvorsprung bildet den Übergang zum achteckigen Grundriss. Die vier Evangelistensymbole wurden vermutlich anlässlich der Renovierung im Jahr 1926 angebracht. Es sind dies der Mensch für Matthäus, der Löwe für Markus, der Stier für Lukas und der Adler für Johannes.
Die beiden Rundbogenfenster auf der Süd- und Nordseite der Glockenstube sind mit zierlichen Rundsäulen und Würfelkapitellen als Zwillingsfenster strukturiert. Auf dem Zeltdach, das sich in die achteckige Struktur des Oberturmes einfügt, befinden sich in einer goldenen Kugel geschichtliche Aufzeichnungen über die Gemeinde Nellingen. Darüber thront der goldene Wetterhahn auf schmiedeeisernem Kreuz. Die kunstgeschichtliche Literatur schildert den Nellinger Kirchturm als reizendes und eigenartiges Bauwerk. Er gilt als der älteste unter den romanischen Kirchtürmen in Württemberg, die vom vierseitigen Unterbau in den achtseitigen Oberbau übergehen.
Propstei
Der Klosterhof in Nellingen bildet das umfangreichste historische Gebäudeensemble Ostfilderns. Neben der Kirche befindet sich das alte Propsteigebäude, dessen früheste Gebäudeteile aus den Jahren um 1500 stammen. Markant sind außerdem das alte Pfarrhaus aus dem Jahr 1565 mit seinem Fachwerk und der Fruchtkasten mit seinem auffallenden Staffelgiebel. Die alten Gebäude zeugen von einer bedeutenden Geschichte: Im Jahr 1120 hatte Anselm von Nellingen seine Güter dem Kloster St. Blasien geschenkt. Der kinderlose Ortsadelige hatte sich entschlossen, ins Kloster einzutreten - eine Entscheidung, die nicht nur für Nellingen über 500 Jahre lang weitreichende Folgen haben sollte.
Das Kloster St. Blasien errichtete in Nellingen eine Propstei, einen Stützpunkt, um den umfangreichen Besitz in der Region verwalten zu können. Auch in Scharnhausen und Ruit war St. Blasien erheblich begütert. In Ruit unterhielt das Kloster aus dem Schwarzwald einen Klosterfronhof, während die Württemberger die Herrschaftsrechte wahrnahmen.
1649 fiel die Propstei Nellingen mit ihrem Besitz im Tausch an die Württemberger. Darauf wurde im Klosterhof ein württembergisches Kameralamt etabliert, das dort bis 1836 existierte. So hatte Nellingen wieder eine zentralörtliche Funktion inne.
Riegelstraße
Die Riegelstraße ist eine der alten Straßen im historischen Dorfkern. Noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es nur den südlichen Teil zwischen Wilhelm- und Hindenburgstraße. Wo heute der Abschnitt bis zur Ludwig-Jahn-Straße verläuft, waren damals noch die Riegelhofäcker, also Felder und Wiesen. Den Namen "Riegelstraße" führt die ortsgeschichtliche Literatur auf eine Stange oder Querholz zum Abriegeln des Dorfausgangs zurück. Die Schranke soll noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestanden haben. Ihr Standort ist allerdings unbekannt. Der Name "Riegelstraße" könnte aber auch auf Steinriegel hinweisen, die in der Umgebung als Flurnamen überliefert sind. Diese Riegel bestanden aus aufgehäuften Steinen, die aus den angrenzenden Feldern herausgelesen wurden. Dass die Riegelstraße in Richtung des Gewanns "Steinen" führt, macht diese Theorie plausibel.
Der alte Teil der Riegelstraße vermittelt heute noch einen Eindruck von der einstmaligen landwirtschaftlichen Prägung des Ortes. Die Bauernhäuser verfügen meist über zugehörige Wirtschaftsgebäude. Beim Schlendern durch die Riegelstraße kann man so manches architektonische Detail entdecken: Da ist etwa die interessante Schieferverblattung am Haus Nummer 2 zu betrachten. Die doppelläufige Freitreppe des Hauses Nummer 9 gibt dem Gebäude ein besonderes Flair. Der kleine Dreiecksgiebel an der Traufseite des Hauses Nummer 11 ist eigentlich ein herrschaftliches Attribut und lässt daher - wie übrigens auch der hohe Steinsockel - auf einen besonderen Status der Bewohner schließen. Dieses Haus wurde 1820 nämlich von Schultheiß Jakob Mauz erbaut, der von 1813 bis 1848 amtierte. Sein Sohn Philipp Adam Mauz erbte nicht nur das Haus, sondern auch das Amt des Schultheißen, das er von 1870 bis 1883 inne hatte. Hinter dem rundbogigen Kellereingang an Haus Nummer 13 kann man einen tiefen Gewölbekeller vermuten, in dem im Laufe der Jahre wohl so manches Mostfass gelagert wurde. An Haus Nummer 17gibt es eine interessante Backsteinmusterung.