Rede von Oberbürgermeister Christof Bolay auf dem Neujahrsempfang der Stadt Ostfildern
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
herzlich Willkommen zum Neujahrsempfang der Stadt Ostfildern. Schön, dass Sie alle da sind. Und wir einmal mehr gemeinsam diesen Auftakt in ein neues Jahr begehen können. Ich wünsche Ihnen für 2025 alles Gute, vor allem Gesundheit. Weitere Wünsche folgen später.
Ich begrüße alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt sehr herzlich. Ebenso die Gäste von außerhalb. Mein Gruß gilt allen politisch Verantwortlichen, sei es im Bund, Land, Region, Landkreis oder der Kommune. Er gilt den Vertretern der Vereine, Kirchen und Schulen. Es freut mich, dass Menschen von der Polizei, der Feuerwehr und den Hilfsorganisationen zu Gast sind. Ich begrüße die Vertreter von Unternehmen, aus der Welt der Kultur und des Sports. Kurzum, Sie alle, die Sie gemeinsam unsere Stadtgesellschaft in Ostfildern bilden.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich freue mich auf 2025. Und das ist auch die richtige Einstellung. Denn wie habe ich neulich gelesen: wenn das alte Jahr gut war, freue ich mich auf das neue. Und wenn‘s schlecht war, dann erst recht.
Ich bekomme relativ viel Post zu Weihnachten. Manchmal ist da etwas dabei, was mich berührt. So ging es mir, als mir das Team der Kindertagesstätte am Baumhain geschrieben hat. Vielleicht können wir diese Bilder mit in das noch neue Jahr nehmen. Ich lese es Ihnen gerade einmal vor.
„Ganz dringend gesucht wird
Ein Elektriker, um die Verbindung zwischen den Menschen wieder herzustellen, damit uns ein Licht aufgeht.
Ein Optiker, um die Sichtweisen zu verändern.
Ein Künstler, der wieder das Lächeln auf die Gesichter malt.
Ein Gärtner, um Gedanken zu kultivieren.
Ein Maurer, der am Frieden baut.
Ein Mathelehrer, der uns wieder lehrt, auf andere zu zählen.“
Sie sehen, jede und jeder von uns kann als vielfältiger Handwerker an unserer Gegenwart und Zukunft mit bauen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlichen Glückwunsch Ostfildern! 50 Jahre. Das feiern wir das ganze Jahr hindurch. Sie finden dazu eine Broschüre auf Ihren Plätzen. Aber wie fast jede Broschüre ist auch diese bei ihrem Erscheinen eigentlich schon veraltet. Denn auch nach dem Stichtag für den Druck kamen weitere Aktivitäten dazu oder werden geplant. Daher kann ich Ihnen allen nur empfehlen, immer wieder auf der Homepage vorbei zu schauen und sich dort den neuesten Stand zu holen.
Den Auftakt der Feierlichkeiten bildet unser heutiger Neujahrsempfang. Dabei hat Sie bereits das Salonorchester der Musikschule unterhalten. Es besteht aus Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern. Nach meiner Ansprache werden Sie ein Konzert des Lehrer- und Schülerensembles sowie des Schülersinfonieorchesters hören.
Höhepunkt unserer Feierlichkeiten im Jubiläumsjahr wird das Wochenende am 12. und 13. Juli sein. Da werden wir uns als Stadt selber feiern. Und ich finde, das können wir auch mit Stolz machen. Denn die Entwicklung von Ostfildern in den letzten 50 Jahren war eine Erfolgsgeschichte. Die natürlich nicht zu Ende ist. Die nie zu Ende sein kann. Denn eine Stadt hört nicht auf, sich weiter zu entwickeln. Aber wir können auf das, was wir bisher schon gemeinsam erreicht und gestaltet haben, sehr stolz und dankbar sein.
Ich bin dankbar für jede und jeden, die oder der sich in den letzten 50 Jahren in unsere Stadt eingebracht hat. Sei es als alteingesessene Familie in x-ter Generation. Sei es als neu zugezogene Bürgerinnen und Bürger. Sei es in den Vereinen, den Schulen, den Kirchen, Gewerkschaften oder anderen Institutionen. Und natürlich bin ich dankbar für alle, die politische Verantwortung übernommen haben. Entweder im Gemeinderat. Oder vor allem auch für die enorm wertvolle Arbeit meiner beiden Vorgänger Gerhard Koch und Herbert Rösch. Wie Sie wissen, bin ich in den fünf Jahrzehnten Ostfildern ja erst der dritte OB.
Ich habe größte Hochachtung für die Entscheidungen vor fünfzig Jahren. Denn das war ja nicht unbedingt eine Liebesheirat. Bis heute halten sich manche Vorurteile. Beispielsweise zwischen Nellingen und Ruit. Und dennoch war der Weg richtig und gut. Nicht zuletzt, als die Jahrhundertchance ergriffen wurde. Und mit dem Scharnhauser Park eine echte Mitte unserer neuen Stadt entstehen konnte.
Ende letzten Jahres bin ich von der Presse gefragt worden, was ich mir denn für Ostfildern in den nächsten 50 Jahren wünsche. Und ich darf meine Antwort kurz zitieren: „ich wünsche mir, dass wir weiterhin eine engagierte und solidarische Stadtgesellschaft bleiben. Wir sollten uns das bewahren, dass wir uns an vielen Stellen für andere Menschen einbringen und engagieren.“
Für mich sind das zwei bedeutende Faktoren. Zum einen die gelebte Solidarität. Dass uns bewusst ist, dass wir eben nicht alle gleich sind. Sondern dass es Menschen oder Gruppen gibt, die mehr an Unterstützung brauchen. Und diese Unterstützung dann auch selbstverständlich von uns bekommen. Genauso wie es Menschen und Gruppen gibt, die mehr leisten können. In jederlei Hinsicht. Auch das zeichnet Ostfildern aus. Dass wir den weiten Blick haben. Alle in unserer Stadt mitnehmen. Alle einbeziehen.
Und dann das genannte Engagement. Dass wir nicht warten, bis andere kommen und unsere Fragen lösen. Sondern selber versuchen anzupacken. Dass wir nicht auf “den Staat“ warten. Sondern überlegen, wie wir unsere Aufgaben vor Ort selber am besten lösen können.
Das hat Ostfildern immer ausgezeichnet. Und das werden wir auch in der Zukunft so pflegen. Mit Mut und Zuversicht. Das ist das Motto, das ich mir selber für dieses Jahr gegeben habe. Aber natürlich wünsche ich das auch Ihnen allen. Mit Mut und Zuversicht die Aufgaben anzugehen.
Ein bisschen spiegelt sich das auch in unserer Spendensammlung heute wider. Sie wissen, dass wir Sie Jahr für Jahr um Unterstützung für ein anderes Projekt oder einen anderen Verein bitten. Dieses Jahr ist es die Skulpturengruppe der Sitz- und Flitzhasen. Auch hier haben sich wieder Menschen aus der Stadt aufgemacht, um Spenden zu sammeln. Um dieses besondere Kunstwerk zu restaurieren und damit zu erhalten. Der Gemeinderat hat beschlossen, pro Einwohner einen Euro zur Verfügung zu stellen. Dann, wenn die gleiche Summe noch einmal aus der Bürgerschaft kommt. Und wir haben zudem namhafte Unterstützung von dem einen oder anderen Unternehmen der Stadt. Für weniger als tausend Euro bekommen Sie sogar eine namentliche Nennung und sind quasi „Paten“ eines Hasen. Merken Sie etwas? Ich versuche gerade, Ihnen ganz schön das Geld aus der Tasche zu ziehen.
Ich kenne natürlich auch die Stimmen, die sagen, ja ist das denn nötig? Meine Damen und Herren, ich bin fest überzeugt, dass genau solche Kunstwerke – genauso wie markante Gebäude - für den Zusammenhalt einer Gesellschaft nötig sind. Im Flyer der Engagierten heißt es dann auch zurecht: sie würden uns fehlen.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie sollten einem Fremden ein paar Bilder über unsere Stadt zeigen. Und sagen wir, Sie haben drei Motive zur Auswahl. Dann garantiere ich Ihnen, dass die Hasen nahezu immer dabei sind. Es soll nicht vermessen klingen. Aber so wie man Paris am Eiffelturm erkennt, so sind das unsere Hasen für Ostfildern.
Im Lauf des Jahres gibt es im Übrigen auch eine besondere Ausstellung in unserer städtischen Galerie. Hier werden 12 einheimische Künstlerinnen und Künstler im Wechsel ihre Werke und damit ihre Sicht auf die aktuelle Situation zeigen. Sie können sich auf ganz unterschiedliche Darstellungen freuen. Und ein kleiner Trost: wenn Ihnen etwas nicht gefällt, dann kommt relativ rasch etwas Neues, das vielleicht eher Ihren Geschmack trifft. Und wenn Sie die Zahl 12 hören und denken, das wäre ja für jeden Monat ein Werk, dann haben Sie recht. Deswegen wurde auch ein Dauerkalender erstellt. „Spot on“ läuft von Anfang April bis Ende Juni und bietet einen wöchentlichen Wechsel.
Ich kann jetzt natürlich gar nicht alle Aktivitäten aufzählen. Aber ich bin sicher, von der Legostadt über Feuerwehrfeste bis zum Jubiläums-Marsch ist für jeden und jede etwas dabei. Stöbern Sie einfach und vor allem: genießen und besuchen Sie die vielen Angebote.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für Ihre Spenden aus dem letzten Jahr bedanken. Wir hatten damals für den Tafelladen hier in Nellingen gesammelt. Und dank einer großzügigen weiteren Unterstützung durch die Kreisparkasse konnten wir Monat für Monat Waren im Wert von mehreren hundert Euro dorthin bringen. Auch das meinte ich vorhin, als ich von unserer solidarischen Grundhaltung gesprochen habe.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir auf die Weltlage schauen, relativieren sich manche unserer Aufregerthemen ganz stark. Ich habe das Buch „Patriot“ von Alexej Nawalny gelesen. Zwei Jahre vor seiner Ermordung am 16. Februar 2024 hat er Sätze von unglaublicher Stärke und Wucht geschrieben. Ich zitiere:
„Ich bin fünfundvierzig. Ich habe eine Familie und Kinder, ich hatte ein Leben, habe an ein paar interessanten Sachen gearbeitet, einige nützliche Dinge getan. Aber da tobt gerade ein Krieg. Nehmen wir an, ein Neunzehnjähriger fährt in einem gepanzerten Fahrzeug, ein Stück Schrapnell erwischt ihn am Kopf, und alles ist vorbei. Er hat keine Kinder gehabt, keine Familie, kein Leben. Da verkündet eines Abends ein rachedurstiger Wicht, der Präsident eines Nachbarlandes, im Fernsehen, dass sie alle „Nazis“ sind und sterben müssen, weil die Ukraine von Lenin erfunden wurde. Am nächsten Tag kommt eine Bombe durchs Fenster geflogen, und sie haben keine Ehefrau mehr, keinen Mann oder keine Kinder – und vielleicht sind sie auch selbst nicht mehr am Leben.“
Ich gestehe freimütig, dass ich nicht weiß, ob ich so etwas im Gefängnis schreiben könnte. Vor allem, weil Nawalny sich seiner Lage mehr als bewusst war. Ein weiteres Zitat:
„Ich flüsterte meiner Frau ins Ohr: Hör zu, ich will nicht dramatisch klingen, aber ich glaube, es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich hier nicht mehr rauskomme. Selbst wenn alles zusammenzubrechen beginnt, werden sie mich umlegen, beim ersten Zeichen, dass das Regime kollabiert. Sie werden mich vergiften. Ich weiß, sagt sie nickend, mit ruhiger und fester Stimme. Das habe ich mir auch gedacht.“
Dieser Mann und seine Witwe sind für mich die Helden des Jahres 2024. Und werden es auf lange Zeit hin bleiben. Und sie sind meine Motivation, mich auch weiterhin für die Menschen in der Ukraine einzusetzen. Ob sie hier bei uns Schutz und Zuflucht suchen. Oder ob wir sie in ihrer Heimat unterstützen können. Wie wir das zusammen mit Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen machen. Indem wir 200.000 Euro an Malteser International gegeben haben. Das Geld wird in einem Krankenhaus in Lviv eingesetzt. Die Ukraine hat inzwischen spezialisierte Einrichtungen und eine hohe Expertise, was die Versorgung von Menschen mit Amputationen betrifft. Da geht es neben der Anpassung von Prothesen immer auch um Rehabilitation und psychologische Betreuung. Dass wir dieses Know How bei uns eben nicht in dieser Dimension haben, sollte uns einmal mehr dankbar sein lassen, dass wir hier leben dürfen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück nach Deutschland. In wenigen Wochen werden Sie um Ihre Stimme gebeten. Die vorgezogene Bundestagswahl steht vor der Tür. Unübersehbar die diversen Plakate und Veranstaltungen in der Stadt. Und natürlich sind Wahlkampfzeiten auch Zeiten der Vereinfachung und Zuspitzung. Meine Empfehlung ist aber dennoch, an der Fassade zu kratzen. Mancher, der behauptet, er oder sie wisse, wie man den Ukraine-Krieg lösen kann, würde schon an einem Din A 4 Formular der Grundsteuererhebung scheitern.
Ich habe schon mehrfach darauf hingewiesen, was die Wahl für ein Kraftakt in der Organisation werden wird. Vor allem macht mir die Briefwahl Sorgen. Weniger auf unserer Seite. Sondern mehr auf der Seite der Post. Ob es gelingen wird, alle Unterlagen wieder rechtzeitig ins Rathaus zu transportieren. Denn wir werden die Briefwahlunterlagen wahrscheinlich erst drei Wochen vor dem eigentlichen Wahltermin bekommen. Insofern werbe ich dafür, dass Sie mal wieder ins Wahllokal vor Ort gehen. Vielleicht treffen Sie dort ja nette Nachbarn. Außerdem freuen sich die Wahlhelfer, wenn sie was zu tun haben. Und Sie können sicher sein, dass Ihre Stimme dann auf jeden Fall in der Wahlurne zählt.
Egal, wie eine neue Bundesregierung aussehen wird, die Aufgaben bleiben gewaltig. Denken Sie nur an die Fragen von Krieg und Frieden. Die uns weiterhin stark beschäftigen. Wie entwickelt sich die Lage in Syrien? Was heißt es für das weltpolitische Gefüge, wenn ein Donald Trump wieder im Weißen Haus sitzt? Wie lang hält die Ukraine ihren heldenhaften Kampf gegen die russische Aggression durch? Wann hört das Sterben der Kinder im Gaza-Streifen endlich auf? All dies sind Fragen, die wir nicht direkt beeinflussen können. Die aber dennoch Einfluss auf unser Leben haben können.
Denn natürlich spielt das für die Migration und Integration eine bedeutende Rolle. Manche überbieten sich ja gerade schon in Fantasien, wer alles möglichst schnell wieder aus Deutschland raus sollte. Ich bin nicht ganz sicher, ob das alles zu Ende gedacht ist. Nehmen wir nur das Beispiel der Gesundheit. Johannes Bauernfeind, der Vorstandsvorsitzende der AOK in Baden-Württemberg hat darauf hingewiesen, dass unser Gesundheitssystem von mehr als einer Million Menschen mit Migrationshintergrund mitgetragen wird. Und wir brauchen in den nächsten Jahren mehrere hunderttausend zusätzliche Pflegekräfte. Die werden nicht alle Müller oder Maier heißen. Heißen können. Schon heute würde unser Gesundheitssystem ohne ausländische Fachkräfte vor dem Kollaps stehen. Allein in Baden-Württemberg praktizieren mehr als 7.000 Ärztinnen und Ärzte, die aus dem Ausland zu uns gekommen sind.
Wenn aber dauernd nur darüber gesprochen wird, wie man Menschen mit nicht-deutschem Pass das Leben möglichst schwer macht, dann trägt das nicht wirklich zur Attraktivität Deutschlands als Einwanderungsland bei. Von den ausländerfeindlichen Übergriffen mal ganz zu schweigen.
Apropos Pass. Wir hatten im vergangen Jahr ein Rekordhoch an Ausweisdokumenten. Allein bei der Stadt Ostfildern wurden mehr als 8.600 Dokumente beantragt. Circa 27 Prozent unserer Bevölkerung hat sich einen neuen Pass ausstellen lassen. Kein Wunder also, dass wir im Servicecenter mehr als 35.000 Termine absolviert haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie uns weiter nach Ostfildern schauen. Das Stadt-Jubiläum habe ich bereits erwähnt. Ein weiteres großes Projekt steht in den Startlöchern. Die Bürgerstiftung wird das Kühnle-Haus in Nellingen bauen. Spatenstich ist am 25. Januar in der Kaiserstraße. Geplant sind dort 16 barrierefreie Wohnungen. Mit einem hohen energetischen Standard, der sich bei den Betriebskosten positiv zeigen wird. Wenn Sie Interesse haben, entweder dort selber zu wohnen oder vor allem das Projekt zu unterstützen, dann nehmen Sie einfach Kontakt auf. Ich wiederhole mich. Aber auch die Bürgerstiftung lebt natürlich vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, unsere großen Themen werden uns auch 2025 weiter beschäftigen. Alles, was mit Bildung und Betreuung zu tun hat. Wir sanieren die Pfingstweideschule komplett. Dort investieren wir 20 Millionen Euro. Hier am Campus werden wir mit den Gymnasien tatsächlich auch fertig werden. Der Waldorfkindergarten hat begonnen. Weitere Projekte in Kemnat und unsere Planungen für Nellingen sind unterwegs. Das war, ist und bleibt ein Schwerpunkt unserer Arbeit.
Aber natürlich ist auch das Klima ein großes Thema. Wir erleben gerade eine Veränderung unserer Diskussion. Wir sprechen nun weniger vom Klimaschutz. Sondern mehr von der Klimaanpassung. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wo da denn der Unterschied sein soll. Aber es liegt auf der Hand. Wir können uns vor dem Klima und dem Klimawandel nicht mehr länger schützen. Wegducken sozusagen. Sondern wir müssen lernen, damit zu leben. Uns also anzupassen.
Als Stadt heißt das beispielsweise, dass wir bei der Auswahl von Bäumen in den Straßen und auf den Plätzen darauf achten, dass diese das veränderte Klima auch aushalten. Oder dass wir so etwas wie Verschattung mehr in den Blick nehmen. Aber auch, dass wir unseren städtischen Mitarbeitern, da wo es möglich ist, flexiblere Zeiten anbieten. Damit sie eben nicht in der größten Mittagshitze arbeiten müssen. Sondern das auf den früheren Morgen oder auch den Nachmittag verlagern können. Das können natürlich nicht alle Bereiche. Aber ich bin überzeugt, dass solche Modelle zunehmen werden. Auch, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben.
Wenn wir Sanierungsfragen diskutieren, dann stehen wir immer vor der Frage, wem der öffentliche Raum eigentlich „gehört“. Und ich finde, da schauen wir zu oft auf das, was vielleicht wegfallen könnte bei einer Neugestaltung. Zum Beispiel Parkplätze. Aber zu selten sehen wir das, was wir gewinnen. Ein Mehr an Grün. Ein Weniger an Lärm. Ein Mehr an Lebensqualität. Ein Weniger an Abgasen. Ein Mehr an Platz für Fußgänger, Fahrradfahrer, Rollatoren und Kinderwagen. Natürlich liegt das auch an der besonderen Beziehung, die wir Deutschen – und im Raum Stuttgart sowieso – zum Auto haben. Etwas ganz einfaches würde uns schon helfen. Wenn nämlich ein Grundsatz der Straßennutzung geändert würde. Bislang darf man überall parken, wo es nicht durch Schilder oder gesetzliche Vorgaben verboten ist. Anders herum wäre es viel einfacher. Parken ist überall verboten, wo es nicht ausdrücklich erlaubt ist. Damit könnten wir viel besser steuern, wie viele Autos den öffentlichen Raum wegnehmen. Mir ist bewusst, dass ich damit keine Mehrheit habe. Weder hier im Saal noch in der aktuellen politischen Diskussion. Aber manchmal muss man Dinge auch von der anderen Seite betrachten. Und wer weiß, was in ein paar Jahren dann Konsens sein wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die letzten Minuten rede ich von Veränderungen. Veränderungen, die uns bevor stehen. In den Jahren des Wachstums sind die Erwartungen an das, was ein Staat, eine Stadt anbieten soll, immer gewachsen. Es musste nicht groß verhandelt werden, was wichtig ist oder eben nicht so sehr. Geld war ja schon irgendwie vorhanden. Diese Phase haben wir nicht mehr. Aber die Konsequenz, nämlich schmerzhafte Diskussionen und Einschnitte, scheuen wir noch. Vielleicht auch, weil es mit weniger Geld mehr Energie und Kraft braucht, um die Dinge beieinander zu halten. Demokratie und Mangel, das kannten wir in Deutschland nicht als Kombination. Aber wir werden Anspruch und Wirklichkeit abgleichen müssen. Als Gesellschaft müssen wir uns klar darüber werden, was sein muss. Was sein soll und was vielleicht sein kann. Aber nicht mehr geht. Und wir sollten lernen, dass das dann keine Niederlagen sind. Sondern notwendige Entscheidungen. Da stehen wir erst am Anfang eines Weges. Dennoch war es mir wichtig, auch das bei einem solchen Anlass wie heute zu benennen. Wir werden die nächsten 50 Jahre nicht so weiter machen können wie das in den ersten 50 Jahren der Stadt Ostfildern der Fall war.
Und trotzdem. Erinnern Sie sich noch an das von mir genannte Motto? Mut und Zuversicht. Das wünsche ich Ihnen. Bei allem, was Sie in diesem Jahr anpacken wollen. Sei es beruflich. In den Familien. Im Ehrenamt oder in anderen Zusammenhängen. Mut ist immer gut. Etwas zu wagen. Und Zuversicht ist eben kein blinder Optimismus. Oder ein banges Hoffen, dass schon alles irgendwie gut wird. Sondern die Einstellung, dass mit etwas Glück und Einsatz sich die Dinge zum Guten wenden. In diesem Sinne: Mut und Zuversicht für Sie und Ihre Familien im Jahr 2025.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.