Scharnhausen
Altes Rathaus
Das Alte Rathaus in der Ruiter Straße 1 ist eines der schönsten Fachwerkgebäude in der Stadt. Der Wappenstein an der Eingangstüre weist auf das Erbauungsjahr 1596 hin. Es wird vermutet, dass Michel Knell und Jerg Mercklin für die Architektur des Rathauses verantwortlich waren.
1596 entstand ein für die örtlichen Verhältnisse stattlicher Arkadenbau, bei dem die vorkragende Fassade auf vier steinernen Säulen ruht. Davor stellte man einen langen Brunnentrog auf. Als Brunnenstock dient seit damals eine der Säulen. 1820 sorgte die Gemeindeverwaltung für die Erneuerung des Brunnenstocks. Noch heute sind auf der Brunnensäule die Jahreszahl 1820 sowie die Initialen von Schultheiß Johannes Gehrung, Jakob Strobel und dem damaligen Gemeinderechner und "Brunneninspektor" Johann Michael Kayser zu lesen.
In den Jahren des Dreißigjährigen Krieges wurden 13 bemalte Glasscheiben in die Fenster von Ratsaal und Schultheißenzimmer eingebaut. Sie stammten von Stiftern, die sich ein kleines Denkmal setzen konnten, indem sie ihr Wappen präsentierten oder sich in stolzer Pose mit Pumphosen, Schärpe, spanischem Kragen und breitrandigem Federhut abbilden ließen. Heute ist keine dieser Glasscheiben mehr im Rathaus vorhanden. Drei von ihnen werden allerdings im Württembergischen Landesmuseum Stuttgart aufbewahrt, eine andere in Mailand.
1935 wurde das im Laufe der Jahrhunderte stark mitgenommene Rathaus renoviert. Dabei wurde es nach hinten etwas vergrößert und die Fachwerkfassade freigelegt. Nach 1975 diente das unter Denkmalschutz stehende Rathaus als Hauptgebäude des Bereichs Soziales der Stadtverwaltung Ostfildern. 2004 wurde es verkauft und im Innern umgebaut. Seit 2005 findet man dort das Hotel "Altes Rathaus".
Ehemaliges Königliches Privatgestüt
Die Gebäude des ehemaligen Königlichen Privatgestüts Scharnhausen befinden sich nur wenige Meter nordwestlich des Schlösschens. Die einstige "Hofer Mühle" in der Ruiter Straße 64 war seit 1817 Bestandteil des Gestüts. Auf die neue Nutzung weist der gusseiserne Brunnen von 1822 mit dem Motiv eines säugenden Fohlens hin. 1823 entstand nördlich der alten Mühle ein Stutenstall für 22 Mutterstuten, den Hofbaumeister Giovanni Salucci entworfen hatte. Das alte Gebäude steht heute noch, wenn auch in vielfach umgebauter Form.
Direkt an der Straße von Scharnhausen nach Ruit befindet sich ein langgestrecktes, gelb angestrichenes Stallgebäude. Es ist das auffallendste Überbleibsel des ehemaligen Königlichen Privatgestüts. 1836 wurde dieser 69 Meter langer Stall für 100 Fohlen gebaut. Die restlichen Stallgebäude sind jüngeren Datums und weisen darauf hin, dass beim Scharnhauser Schlössle auch heute noch die Pensions-Pferdehaltung zu Hause ist.
Der württembergische König Wilhelm I. begann schon als Kronprinz, das Wildgehege Herzog Carl Eugens durch Grundstückszukäufe zu erweitern, bis das Gelände schließlich 107 Hektar groß war und direkt an die Domäne Weil angrenzte. Der "Scharnhauser Park" war geschaffen.
Um der krisengeschüttelten heimischen Landwirtschaft mit neuen Ideen voranzugehen, gründete der reformorientierte König 1817 auf seinen Besitzungen Scharnhausen, Weil und Kleinhohenheim einen landwirtschaftlichen Musterbetrieb sowie ein Privatgestüt. Das Gestüt Scharnhausen war für die Aufzucht der Stutenfohlen zuständig.
Die Zucht von Araberpferden machte das Königliche Privatgestüt weithin berühmt. Die edlen Tiere zeichneten sich durch Ausdauer, Leistungsfähigkeit und Temperament aus. Überall bewunderte man die Zuchterfolge, die einen Zugewinn an Größe und Knochenstärke bei gleichbleibend hoher Qualität der Araberpferde erbrachten.
Die Privatgestüte Scharnhausen und Weil gerieten in der Weimarer Republik wirtschaftlich immer tiefer in die roten Zahlen und wurden 1932 schließlich aufgegeben. Die berühmte Araberzucht wird im Haupt- und Landgestüt Marbach weiter geführt.
Der Amortempel
In der Verlängerung der Wagenmannsteige oder - von der Kastanienalle im Scharnhauser Park kommend - nach dem Hohlweg links findet man einen kleinen, antikisierenden Tempel, der heute "Amortempel" genannt wird. Herzog Carl Eugen ließ ihn 1788 errichten. Das luftige Bauwerk diente ursprünglich als eine Art Gartenlaube. 1818 jedenfalls war es mit einem zusammenklappbaren Tisch aus Tannenholz sowie einem Gartenkanapee samt Lederpolster möbliert.
Der Standort des Tempelchens befand sich zunächst weiter unten auf der anderen Seite des Schlösschens im Bereich der heutigen Stallungen. 1822 wurde es mit Rücksicht auf den expandierenden Gestütsbetrieb dort abgebrochen und am heutigen Standort wieder aufgebaut. Entsprechend seiner zwölf ionischen Säulen wurde der Amortempel mit zwölf Kastanienbäumen umpflanzt.
Zwischenzeitlich im Besitz der Stadt Ostfildern, wurde das denkmalgeschützte Amortempelchen 1984 und 2002 renoviert. Es ist damals wie heute ein beliebtes Ziel von Spaziergängern.
Ein Englischer Garten in Scharnhausen
Rund um das Schlösschen legten Herzog Carl Eugen und seine spätere Ehefrau Franziska von Hohenheim ab 1784 einen kleinen Englischen Garten an. In hügeligem, teils bewaldetem Gelände inszenierte man eine Landschaft mit geschwungenen Wegen und romantischen Wasserläufen. Da gab es außer dem Tempelchen auch ein "Rindenhäuschen", eine Grotte und ein "Mooshäuschen" sowie einen Brunnen, dessen Wasser aus einer alten Eiche floss. Der Höfelbach speiste zwei malerische Teiche mit begehbarer Insel. Sogar eine künstliche Ruine ließ der Herzog errichten, in deren Innerem ein Billardsaal eingerichtet war.
Inspiriert waren Schlösschen und Landschaftsgarten vom Wörlitzer Park bei Dessau. Die schlichte, vernünftige Architektur des Klassizismus löste die höfische Verspieltheit des Rokoko ab. Herzog Carl Eugen war in seinen älteren Jahren ein anderer Mensch geworden: Hatte er sich in den ersten drei Jahrzehnten seiner Herrschaft durch Verschwendungssucht und barocke Prachtentfaltung hervorgetan, so lebte er seit 1778 weit bescheidener und in relativer Zurückgezogenheit an der Seite der Franziska von Hohenheim. Das "Scharnhauser Schlössle" und seine Gartenanlagen waren Ausdruck dieser neuen Bescheidenheit.
Plieninger Straße 9
Das Gehöft ist eines der alten landwirtschaftlichen Anwesen in Scharnhausen. Es ist bereits im Brandversicherungskataster von 1808 beschrieben, wobei davon ausgegangen werden kann, dass es sich damals schon um Altbauten handelte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lag die Hofanlage ganz am Rand des Ortes. Nur noch wenige Häuser schlossen sich "an der Staig" an, wie die damals noch unbefestigte Plieninger Straße damals aufgrund ihrer starken Steigung genannt wurde.
1808 bestand das unterkellerte Wohnhaus aus zwei Wohnungen nebst einem Stall. Daran schloss sich im rechten Winkel, also parallel zur Straße, eine Scheune mit Wagenhütte an. Den Abschluss zur Straße hin bildete ein kleineres Waschhaus, das über einen eigenen Brunnen verfügte. Es wurde später zu Werkstatt und Stall umgebaut. An dieser dreigegliederten Hofsituation hat sich bis heute nichts geändert. Interessant sind auch die vier Schlusssteine mit ihren historischen Jahreszahlen, die man bei näherer Betrachtung in den Wänden findet.
Adam Maier und der landwirtschaftliche Fortschritt
Heute wirkt das Anwesen Plieninger Straße 9 neben all'den umgebauten oder neugebauten Gebäuden rings umher etwas mitgenommen. Man sieht dem Hof sein Alter an. Wer würde da schon vermuten, dass gerade dieses Anwesen in den 1920er- und 1930er-Jahren ein Ort der landwirtschaftlichen Reformen und des zivilisatorischen Fortschritts war? Damals lebte hier Adam Maier mit seiner Frau Katharine. Er verdiente seinen Lebensunterhalt hauptsächlich als Gestütswart.
Als die Pferdezucht im Scharnhauser Park um das Jahr 1930 eingestellt wurde, widmete sich Maier jedoch verstärkt den Neuerungen in der Landwirtschaft. So verfügte der Hof als erster in Scharnhausen über einen geräumigen Hühnerstall mit Südfenstern, in dem sich die Tiere wohl fühlen konnten. Auch führte Maier im Bauerndorf an der Körsch das bis heute gebräuchliche Kummet ein, das den Zugtieren um den Hals gelegt wurde. Bis dahin hatten die Tiere den Wagen mit einem Joch an der Stirn gezogen. Und man mag es beim heutigen Anblick des Bauernhauses kaum glauben: Hier soll sich in den 1930er-Jahren Scharnhausens erstes richtiges Badezimmer befunden haben.